Täglich neue Kraft – Predigt zum Sonntag Jubilate

Liebe Gemeinde,
Sport, gesunde Ernährung, ein Wellnesswochenende, Anti-aging-Cremes und Haare färben – neuerdings auch für Männer- Und vielleicht zum Schluss noch ein bisschen liften lassen. Man will doch jung aussehen, Zumindest äußerlich. „Du hast doch bald ne Glatze!“ haben meine jüngsten Schülerinnen vorgestern zu mir gesagt, da musste ich auch schon schlucken. Auch ich werde älter. Aber ist das wichtig?

Paulus schrieb schon vor knapp 2000 Jahren über das älter werden und er schreibt wie folgt:
Das ist der Grund, weshalb wir den Mut nicht sinken lassen: Unsere menschlichen Kräfte werden zwar aufgezehrt.Aber innerlich bekommen wir Tag für Tag neue Kraft. Denn die Not, die wir gegenwärtig leiden,wiegt leicht.Doch sie bringt uns eine Fülle an Herrlichkeit, die jedes Maß übersteigtund kein Ende hat.
Wir dürfen unseren Blick allerdings nicht nur auf das Sichtbare richten,sondern auf das Unsichtbare. Denn das Sichtbare ist vergänglich, das Unsichtbare dagegen ist unvergänglich.

Liebe Gemeinde, auch wenn älter werden mühsam ist – Sie wissen das wahrscheinlich besser als ich, aber auch ich bin keine 20 mehr:
Paulus scheinen die körperlichen Gebrechen gar nichts auszumachen, sie sind ihm nur einen kurzen Nebensatz wert. Dann geht er dazu über, was wir stattdessen bekommen:
Unsere menschlichen Kräfte werden zwar aufgezehrt.Aber innerlich bekommen wir Tag für Tag neue Kraft.
Typisch, könnte man da sagen, er beschäftigt sich mal wieder mit irgendetwas Abgehobenem und nicht mit dem, was einen täglich bewegt.
Paulus teilt uns einfach in einen inneren und einen äußeren Menschen auf und meint, was mit dem äußeren sei, ist nicht so wichtig.
Natürlich ist das wichtig, ganz entscheidend sogar, wie wir uns körperlich fühlen, ob wir Schmerzen haben oder Hunger und auch, ob wir mit unserem Körper einverstanden sind und ihn mögen.
Auch Paulus berichtet uns mehrfach, mit welchen Krankheiten er zu kämpfen hatte, dass er sich schwach fühlte, müde, erschöpft. Ein paar Verse vor denen des Predigttextes berichtet er breit über all das, was den Christen in Korinth und anderen Gemeinden Mühe machte. Waren die Mitglieder der Gemeinde in Korinth schon von Haus aus eher arm als reich, ungebildete Sklaven, herumgestoßen, hungrig manchmal, schwer arbeitend, oft krank, so schreibt Paulus hier über sie:
Wir stehen von allen Seiten unter Druck, wir sind ratlos, wir werden verfolgt, wir werden zu Boden geworfen und erfahren am eigenen Leib, was es heißt, mit Jesus zu sterben. So spricht keiner, der abgehoben ist und das tägliche Leben und Leiden nicht ernst nimmt, so schwer wie er es erlebt hat.
Aber gerade weil Paulus alles Mögliche erlebt hat, kann er nicht nur für sich, sondern auch für die anderen Christen sagen:
Unser äußerer Mensch verfällt  unsere menschlichen Kräfte werden aufgezehrt, das ist so aber: Wir werden nicht müde,wir lassen den Mut nicht sinken, denn innerlich bekommen wir Tag für Tag neue Kraft!

Vielleicht hört sich das für manchen von Ihnen nach dem typischen christlichen Vertrösten an: Wenn es mir schon schlecht geht, versuche ich halt, mich damit abzufinden und dem vielleicht sogar noch etwas Gutes abzugewinnen.
Aber darum geht es nicht. Gott kennt körperliches Leid. Jesus Christus hat es bei der Verspottung, bei den Schlägen und am Kreuz selbst erfahren. Aber das war auch nicht das Ende. Er ist auch auferstanden, ist ein neuer Mensch geworden. Das feiern wir an Ostern und auch am heutigen Sonntag Jubilate:

Gott macht uns neu, an jedem Tag wieder – durch seinen Geist. Jesus Christus war der erste, der uns gezeigt hat wie das geht.
Hier wird nicht vertröstet, das ist Gewissheit im Glauben, Sicherheit und die Freiheit, über die Befindlichkeit des Augenblicks hinweg zu sehen und das tägliche Neuwerden dankbar anzunehmen, ja, damit zu rechnen.
Denn wie oft haben wir erlebt, dass unsere Kraft erneuert wurde, gerade, als wir dachten, jetzt geht gar nichts mehr, jetzt bin ich am Ende! Oft wachsen uns am aller tiefsten Punkt ungeahnte Energien zu. Menschen können Erlebnisse überwinden, von denen sie vorher gedacht hatten, wenn mir das passiert, dann ist es aus mit mir.

Ältere Menschen berichten mir: Das hat viel mit dem Älter werden zu tun. Auch wenn man körperlich schwächer wird, wird man oft innerlich stärker, da man schon so viel erlebt hat.Man kann Vieles, weil man es schon oft gemacht hat, man lernt, Menschen einzuschätzen und Situationen und vielleicht sogar sich selbst. Man wird gelassener und weiß, dass sich selbst das, was zunächst nach Katastrophe aussieht, mit der Zeit relativiert.
Wenn man sein ganzes Leben als ein Wachsen und Werden begreifen kann, dann wird man vielleicht sogar weise.
Diese Kraft der Weisheit kann täglich in uns wachsen. Wichtig dabei: Die Kraft der Weisheit schließt das Scheitern mit ein. Wie vieles misslingt uns, wie oft gehen wir falsche Wege, vergeuden Zeit und Talente und kommen uns manchmal vor, als würden wir nie etwas dazu lernen. Doch wir können täglich neu anfangen, täglich lernen, es besser zu machen und was war, braucht uns nicht zu belasten. Auch unsere Fehler nicht- deshalb beginne ich jeden Gottesdienst mit einem Sündenbekenntnis, denn es ist ein Abgeben und neu starten können
Das gilt, Gott sei Dank, nicht nur für den Einzelnen. Es gilt ganz besonders auch für unsere Gesellschaft und für unsere Kirche: gerade hier brauchen; wir die Kraft der Weisheit, damit Frieden und Gerechtigkeit auf der Welt wachsen können und wir brauchen uns nicht von vermeintlichen Misserfolgen entmutigen zu lassen. Ich glaube es ist wichtig, nicht aufzugeben und zu sagen: „Ach, unsere Gesellschaft wird immer schlimmer“. Nein, ich glaube wir werden weiser und mit Gottes Hilfe wird auch unsere Gesellschaft weiser.
Und innerlich bekommen wir jeden Tag neue Kraft:  Durch die Liebe, die wir in den Begegnungen mit unseren Mitmenschen spüren können und die wir ihnen weiter geben: Ein Lächeln, ein herzlicher Händedruck, ein altmodischer Brief oder eine Postkarte, auch eine persönliche mail oder eine SMS können uns froh machen und uns vergessen lassen, dass uns eigentlich etwas weh tut. Wenn wir uns einem anderen Menschen mit Liebe zuwenden, dann kann uns das für den ganzen Tag Flügel verleihen.
Täglich neue Kraft bekommen wir auch durch die Erkenntnis. Durch all das, was wir in unserem Leben lernen und was uns wichtig wird: Dass Familie und Freunde wichtiger sind als Geld, dass ein funktionierendes Gemeinwesen auf  dem Willen zur Gerechtigkeit aufgebaut ist, dass ich, um ausgeglichen zu sein auch Ruhe und Erholung brauche oder auch genug Ansprache und Arbeit.

Ich war ja letzte Woche auf einem Seminar zur Vermeidung von Burn-Out. Genau da wurde es mir wieder bewusst: Es muss einen Ausgleich geben zwischen Arbeit und Freizeit, Anspannung und Entspannung. Sonst geht man kaputt.
Und alles, was wir für unser Leben und das der Gesellschaft als wichtig erkennen und schätzen, verleiht uns Kraft für unser tägliches Leben. Und wenn wir erkennen, was uns Kraft raubt, dann können wir das weglassen.

Vor allem aber bekommen wir täglich Kraft durch unseren Glauben und das Leben mit Gott: Es gibt sogar wissenschaftliche Studien die beweisen, dass gläubige Menschen glücklicher sind, weniger krank, und das sie leichter mit Problemen fertig werden.
In der Bibel heißt das:
Aus deiner Hand nehmen wir täglich Gnade um Gnade.
Für mich sind Kirchenräume allgemein und vor allem der Gottesdienst ein solcher Ort um Kraft zu schöpfen.
Man erlebt einen wunderschöner Raum, Kerzen und Blumen, Musik, die einem das Herz aufgehen lässt, man kann gemeinsam singen und spüren, man gehört zusammen, man kann die Gegenwart Gottes im Abendmahl erleben, Zeit für die eigene Seele haben, sogar seine Schuld abladen, und seine Sorgen, den Gedanken Raum geben, etwas Neues hören und wenn es gut läuft, bringt das was man hört auch noch etwas fürs Leben.
Doch auch viele Menschen, die nicht zum Gottesdienst kommen, schöpfen Kraft aus ihrem Glauben: Ein Stoßgebet in höchster Not, der Psalm 23, das Lied „So nimm denn meine Hände“, Kirchenmusik, Meditationen oder auch ein Frühlingsspaziergang mit dem Wissen: „Gott hält das alles in seiner Hand“ es gibt viele Arten, Gott im Leben wirken zu lassen und dadurch stark zu werden.

Wenn wir damit rechnen, dann wiegt die Not, die wir gegenwärtig leiden, leicht, sagt Paulus, und sie bringt uns eine Fülle an Herrlichkeit, die jedes Maß übersteigt und kein Ende hat. Wir dürfen unseren Blick allerdings nicht nur auf das Sichtbare richten, sondern auf das Unsichtbare

Die meiste Kraft gibt uns die Ahnung von Gottes Herrlichkeit. Wir spüren: Da ist noch eine Welt und Wirklichkeit neben und hinter unserer sichtbaren und leicht verfügbaren. Immer wieder blitzt sie auf. Immer wieder leuchtet die Ewigkeit in unsere Vergänglichkeit und wir erleben sie einen Moment lang: Glück, sich ganz verstanden fühlen, unendlich stolz sein, grenzenlose Liebe, Ekstase, Frieden, Gott in mir und ich in ihm.
Augenblicke nur, und doch versprechen sie die Ewigkeit.
Denn das Sichtbare ist vergänglich, das Unsichtbare dagegen ist unvergänglich.

Ich wünsche Ihnen viele Entdeckungen des Unsichtbaren in der kommenden Woche.

Amen

Inspiriert von den Lesepredigten. Danke!

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