Sich beschenken lassen – Gottesdienst zum 11. Sonntag nach Trinitatis (Gal 2,16-21)

Liebe Gemeinde,
da steht er vor mir und hat ein Geschenk in der Hand. Schön eingepackt, er hat sich Mühe gegeben. „Das wär doch nicht nötig gewesen“ flüstere ich und als er gegangen ist sagt meine Frau: Wenn wir ihn das nächste Mal besuchen, bringen wir auch was schönes mit.
Kennen Sie das? Sie erhalten ein Geschenk und denken dann: Ja, der Person muss ich auch was schenken. Vielleicht sogar etwas gleichwertiges?
Ich kenne Leute, die wissen noch ganz genau, was ihr letztes Geburtstagsgeschenk gekostet hat und was sie davor bekommen haben. Es muss ja ausgeglichen bleiben.
Dieses Spiel habe ich schon oft erlebt, besonders bei Besuchen und ganz besonders bei Hochzeiten. Ein guter Freund schenkte mir einen hohen Geldbetrag. Ich rief ihn an und sagte: Was soll das? Du brauchst es doch selbst mehr als ich. Und er sagte: Dieser Betrag ist bei uns in Bulgarien üblich.
Die Regeln variieren also, aber es ist klar: Es gibt ungeschriebene Regeln und ein Geschenk erfordert eigentlich immer ein Gegengeschenk.
So ist das unter uns Menschen und manchmal habe ich das Gefühl: So funktioniert das auch bei Gott. Gut, dem kann ich jetzt nichts schenken, aber ein paar gute Taten haben noch nie geschadet. Oder zumindest eine Spende schadet doch auch nie.
Andere haben gelernt: Nur wer sich klein macht, wird von Gott geliebt: „Gott liebt den Demütigen, den Hochmütigen bestraft er.“ Also sich klein machen, damit Gott mich liebt.
Auch das sind Regeln, ungeschriebene Regeln, die unser Verhalten beeinflussen.

Paulus streitet sich vor 2000 Jahren mit den Mitchristen seiner Zeit heftigst darum, ob man Regeln befolgen muss, um von Gott geliebt zu werden. Oder um mit der Sprache des Paulus zu sprechen „gerecht“ zu sein.
Und da sind auf der einen Seite die Judenchristen, die sagen: Jesus war Jude, also sollten alle Christen erst einmal Juden werden und sich an das jüdische Gesetz halten. Dieses ist nicht aufgehoben.
Und auf der anderen Seite ist da Paulus, der sagt: Man muss nicht Jude werden, um Christ zu sein. Und mitten in diesem Streit stehen die Gemeinden von Galatien, die von Paulus gegründet werden.
Ihnen schreibt er zum Streit folgendes:
Aber wir wissen:  Kein Mensch gilt vor Gott als gerecht, weil er das Gesetz befolgt. Als gerecht gilt man nur, wenn man an Jesus Christus glaubt. Deshalb kamen auch wir zum Glauben an Jesus Christus.
Denn durch diesen Glauben an Christus werden wir vor Gott als gerecht gelten – und nicht, weil wir tun, was das Gesetz vorschreibt. Schließlich spricht Gott keinen Menschen von seiner Schuld frei, weil er das Gesetz befolgt. Nun wollen wir ja durch Christus vor Gott als gerecht gelten.
Wenn sich nun aber zeigt,dass wir trotzdem mit Schuld beladen sind – was bedeutet das dann? Etwa, dass Christus die Schuld auch noch fördert? Auf gar keinen Fall!
Wenn ich nämlich das Gesetz wieder einführe, das ich vorher abgeschafft habe, dann heißt das:  Ich selbst stelle mich als jemand hin,der es übertritt.
Das Gesetz hat mir den Tod gebracht.Deshalb gelte ich für das Gesetz als gestorben, damit ich für Gott leben kann.
Mit Christus zusammen wurde ich gekreuzigt. Deshalb lebe ich eigentlich nicht mehr selbst – sondern Christus lebt in mir. Mein jetziges Leben in diesem Körper lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes. Er hat mir seine Liebe geschenkt und sein Leben für mich hergegeben.
Ich weise die Gnade nicht zurück, die Gott uns erweist.
Denn wenn wir durch das Gesetz vor Gott als gerecht gelten, dann ist Christus ohne Grund gestorben.

„Ich weise die Gnade nicht zurück, die Gott uns erweist.“ Für Paulus ist die Liebe Gottes die Gnade Gottes. Und sie ist ein Geschenk. „Ich weise das Geschenk der Liebe Gottes nicht zurück.“ Das ist der eine Punkt des Paulus.
Aber viel wichtiger für Paulus ist:  Dieses Geschenk will kein Gegengeschenk, keine Gegenleistung.
Es gibt nur eine Regel, die in der Beziehung zu Gott zu befolgen ist und die heißt: Lass dich beschenken.
Es gibt kein Gesetz, das befolgt werden muss. Die Liebe Gottes lässt sich nicht verdienen. Und Paulus ist da sehr hart und deutlich:
„Denn durch diesen Glauben an Christus werden wir vor Gott als gerecht gelten – und nicht, weil wir tun, was das Gesetz vorschreibt. Schließlich spricht Gott keinen Menschen von seiner Schuld frei, weil er das Gesetz befolgt.“
Was ist das Geschenk der Liebe Gottes? Ganz einfach gesagt heißt es: Gott liebt dich, so wie du bist. Mit all deinen Fehlern, die du schon in deinem Leben begangen hast. Und inklusive aller, die du begehen wirst. Denn du weißt genauso wie Gott, dass du noch genug begehen wirst.
Gott sagt: Ich liebe dich trotzdem. Und du darfst jeden Tag zu mir kommen und mich um Hilfe bitten und ich werde dir helfen. Du darfst jeden Tag neu anfangen.
Mit all deinen schlechten Seiten, die du gerne los wärst, mit all deinen Verletzungen und deinen Gewissensbissen.
Und er sagt auch: Ab jetzt lebe ich in dir.
Paulus formuliert in seiner Radikalität: „Deshalb lebe ich eigentlich nicht mehr selbst – sondern Christus lebt in mir. Mein jetziges Leben in diesem Körper lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes.“
Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber ich finde es ein bisschen komisch. Gott, Christus will in mir leben. Bin ich nicht noch ziemlich unperfekt. Ist das nicht ziemlich hochnäsig zu sagen: In mir lebt Christus?
Paulus ist strikt. Er sagt: So ist es. Wenn du an Gott glaubst, lebt Gott in dir. Und du darfst jeden Tag neu anfangen. Ohne dass du irgendetwas dafür tun musst.
Diese Radikalität erschreckt erstmal, finde ich. Denn meistens, wenn wir etwas ohne Gegenleistung geschenkt kriegen, stimmt doch etwas nicht. Vielleicht will der andere sich einlullen? Oder etwas anderes? Wir sind da vorsichtig. Das sind wir als Menschen gewohnt.
Und das schwierige ist, diese Vorsicht bei Gott wegzulassen.
Ich kannte in Nürnberg eine Dame, der klar war, dass Gott sie liebt. Und dennoch war sie sich nie sicher, ob sie der Liebe wert war. „Herr Vikar, heute früh habe ich nicht gebetet. Liebt Gott mich trotzdem?“ fragte sie mich öfters.
Da wurde das Beten zum Gesetz. Und das machte sie wahnsinnig unfrei. Ihre Gedanken drehten sich oft darum, noch genug Menschen von Gott zu erzählen, genug zu beten, genug Gott zu loben.
Es war und ist schwierig für sie, zu verinnerlichen, dass Gott sie liebt. Ganz ohne Gegenleistung.
Aber so ist es: ganz banal, aber dennoch so schwer einzuüben. Lassen sie es uns einüben, jeden Tag. In den leichten und in den schweren Stunden: Gott schenkt uns seine Liebe. Bedingungslos.
„Mein jetziges Leben in diesem Körper“ schreibt Paulus „lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes. Er hat mir seine Liebe geschenkt und sein Leben für mich hergegeben. Ich weise die Gnade nicht zurück, die Gott uns erweist.“
Amen.

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