Mitarbeit in der Gemeinde – Predigt zu Miserikordias Domini (1. Petrusbrief)

Liebe Gemeinde,
es ist bald wieder so weit: Im Oktober wird in allen bayerischen evangelischen Kirchengemeinden ein neuer Kirchenvorstand gewählt. Es geht um die Leitung der Gemeinde. Wer ist bereit, sich dafür in die Verantwortung nehmen zu lassen? Wer hat Lust und Freude daran, sich einzubringen? Wer will konstruktiv mitarbeiten? Gemeinde braucht Leitung. Der Kirchenvorstand besteht aus den Männern und Frauen, die von der Gemeinde dafür gewählt werden. Um Gemeindeleitung geht es auch im heutigen Predigttext aus dem 1. Petrusbrief:
Die Ältesten unter euch ermahne ich, der Mitälteste und Zeuge der Leiden Christi, der ich auch teilhabe an der Herrlichkeit, die offenbart werden soll:
Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund; nicht als Herren über die Gemeinde, 
sondern als Vorbilder der Herde.
So werdet ihr, wenn erscheinen wird der Erzhirte, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen.

Liebe Gemeinde,
Ihr Ältesten, übersetzt Luther. Im griechischen Text steht dafür das Wort Presbyter, – ein Wort das heute noch gebräuchlich ist. Presbyter, das heißt ganz wörtlich übersetzt eben: die Ältesten. In der hellenistischen Welt der Alten Kirche war es selbstverständlich, dass Gemeindeleitung von den älteren Gemeindemitgliedern ausgeführt wurde. Ihre Erfahrung war gefragt. Von dem Wort Presbyter leitet sich später der Priester ab. Die Ältesten, die Erfahrenen im Glauben, und die Priester, sie leiten Gemeinden. In der Reformationszeit wurde dann aus dem Ältesten, dem Presbyter, der Kirchenvorsteher. In Gebieten im Westen und im Norden Deutschlands kennt man auch heute noch keinen Kirchenvorstand, sondern ein Presbyterium.
In unseren Kirchengemeinden gibt es, wie es unsere Kirchengemeindeordnung vorsieht, einen Pfarrer oder eine Pfarrerin und einen Kirchenvorstand. Beide sollen gemeinsam mit unterschiedlichen Aufgaben die Gemeinde leiten.
Wie ist die Verantwortung bei uns aufgeteilt? Und ist unser System rückgekoppelt mit den Anweisungen, die uns der Predigttext zur Gemeindeleitung gibt?
Bei uns ist die Gemeindeleitung so aufgeteilt: die Pfarrerin oder der Pfarrer ist zunächst zuständig für die Sakramentsverwaltung und die Wortverkündigung, außerdem zur Gottesdienstleitung, zum Unterricht in Schule und Gemeinde und zur Seelsorge.
Das sind klare Arbeitsfelder. Außerdem soll sich der Pfarrer – wie es im Pfarrergesetz steht – „mit der Gemeinde darum bemühen, die in ihr vorhandenen Gaben zu finden, Gemeindeglieder zur Mitarbeit zu gewinnen und zuzurüsten, damit sich ihr Dienst im rechten Zusammenwirken mit dem der Mitglieder des Kirchenvorstandes und der übrigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum Aufbau der Gemeinde frei entfalten kann.“
Das heißt: Der Pfarrer, die Pfarrerin ist für die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da, die es in einer Gemeinde gibt. Die, die sich bereits engagieren, soll er unterstützen, so dass sie ihre Talente und Gaben einbringen können. Und zusammen mit denen, die sich bereits engagieren, ist er oder sie auch immer auf der Suche nach Neuen, die sich auch noch einbringen können. Gemeindeaufbau ist der Begriff für diese Arbeit. Außerdem ist er für alle Dinge verantwortlich, die das Pfarramt als Behörde betreffen.  Zunächst also Verkündigung und Sakramente, die Amtshandlungen wie Taufe, Hochzeit, Beerdigung, dann Seelsorge und Unterricht, auch Gemeindeaufbau und schließlich Amtsführung.
Der Kirchenvorstand, der wieder gewählt werden muss, vertritt die Kirchengemeinde. Die Kirchengemeindeordnung formuliert es so:
„Er – der Kirchenvorstand- hat um ihre Verpflichtungen besorgt zu sein und ihre Rechte zu wahren.“
Der Kirchenvorstand hat das Recht, die Gottesdienstordnung zu bestimmen und vor allem, über das Vermögen der Kirchengemeinde zu bestimmen. Der Kirchenvorstand ist für die Gebäude der Gemeinde verantwortlich. Die Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher sind aber durchaus auch für Inhalte mitverantwortlich. Sie können dem Pfarrer nicht sagen, was er zu predigen hat. Aber sie können Wünsche nach Gottesdienstformen und nach der Ausgestaltung der Gemeindearbeit äußern und in Zusammenarbeit mit dem Pfarrer auch verwirklichen. Ein kleines Beispiel ist die Stola, die ich heute trage, auch sie darf nur mit Erlaubnis des Kirchvorstands getragen werden. Und mein Anliegen wenn ein dauerhafter Organist da ist, mit Ihnen die Introiten zu singen, ist ebenfalls im Kirchenvorstand besprochen werden.
Aber es gibt noch mehr Aufgbaen: Die Kirchenvorsteher und Kirchenvorsteherinnen können Anliegen aus der Gemeinde aufnehmen und weitergeben. Sie sind mitverantwortlich für die missionarische und die diakonische Arbeit der Kirchengemeinde. Der Kirchenvorstand ist also die Vertretung der Kirchengemeinde, hat die Hand über den Finanzen und Immobilien und ist mitverantwortlich für das, was in der Gemeinde passiert. Die Verantwortung in der Gemeinde liegt aber nicht nur beim Pfarrer und beim Kirchenvorstand. Verantwortung liegt auch bei den vielen, die Gemeindekreise leiten, die Hauskreise führen, die Kindergottesdienst feiern und so fort. Verantwortung liegt bei jedermann und jeder Frau, die bemerken: Hier könnte ich etwas tun, hier könnte ich mich einbringen.
Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund so schreibt es der Autor des Petrusbriefes.
Jeder von uns kann die Gemeinde weiden, auf sie aufpassen. Jeder von uns wird zum Hirten.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen mit dem Bild vom Hirten geht. Eigentlich ein schönes Bild, einer der auf mich aufpasst. Ein Bild, wie es im Psalm 23 geschildert wird. Jesus als der gute Hirte.
Und dennoch ist für mich das Bild auch schwer, denn so ein Hirte hat auch etwas einschränkendes. Wer Hirte muss auf die anderen achten, um sie nicht einzuschränken.
In einer Gemeinde, ist meist erstmal der Pfarrer oder die Pfarrerin der Hirte. Deshalb heißt er im Norden „Pastor“ und auch im Englischen spricht man von „pastoral care“ für die Seelsorge. Und auch der Pfarrer, der Hirte, braucht Leute, die ihn wiederum leiten. Sozusagen eigene Hirten.
Da geht es erstmal darum die Gemeinde kennenzulernen, wen kann ich wann fragen?
Und wenn man das weiß, dann ist es ganz wichtig zu hören: Wer braucht einen Besuch, was steht gerade an, was ist gerade wichtig? Als Pfarrer hat man nicht mit allen Gemeindegliedern Kontakt, man hat auch viel Papierkram und dann ist es gut, dass es Gemeindeglieder gibt, die Hinweise geben können.
Und der Pfarrer ist nicht der einzige Seelsorger. Jede Christin, jeder Christ kann ein Seelsorger sein. Wenn Ihnen eine gute Freundin von ihren Problemen erzählt, wenn Sie zuhören und Verständnis zeigen, dann betreiben auch Sie Seelsorge. Selbst die Vergebung Gottes kann jeder Christ einem anderen zusagen, wenn er darum bittet.
Nur eines macht dann den ordinierten Pfarrer oder die Pfarrerin: Diese haben einen öffentlichen Eid abgeleistet, dass sie über Dinge der Seelsorge Verschwiegenheit halte. Was ihnen erzählt wird, das dürfen sie niemandem weitersagen.
Aber gerade auch die Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher haben pastorale, also Hirtenfunktion. Für viele Menschen in der Gemeinde ist die Schwelle, mit einem Anliegen zu einer Kirchenvorsteherin zu gehen, niedriger als die ins Pfarrhaus. Anliegen, Wünsche, auch Ärgernisse werden oft zunächst an Kirchenvorsteher herangetragen. Sie können sie weitergeben, und gemeinsam kann dann ein weiteres Vorgehen beraten werden. Und manches kann vielleicht verwirklicht werden.
Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist; achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund, das fordert der Schreiber des Petrusbriefes.
Es ist gut, wenn wir uns an der Gemeinschaft in der Gemeinde freuen können. Es ist gut, wenn die Leute zusammen halten. Und es ist gut, wenn man seine Freude an der Arbeit in der Kirchengemeinde hat – egal, ob als Hauskreismitglied, ob als Kuchenbäckerin für ein Fest, ob als Kirchenvorsteher oder als Pfarrer.
Aber macht keinen Zwang daraus.
Das heißt: Wer gut Kuchen backt, aber nicht gerne in der Kirche vorliest, muss nicht Lektor sein. Wer geschickter ist beim Organisieren als beim Anpacken – der soll ruhig organisieren.
Im Kirchenvorstand werden verschiedene Leute verschiedene Aufgaben verschieden angehen. Und im letzten Gemeindebrief wurde es so schön beschrieben: Ein neuer Pfarrer macht viele Sachen anders. Jeder hat seine Gaben. Und jeder kann und soll sich da einbringen, so seine Gaben sind. Und das ist mir wichtig: Freiwillig, mit Freude. „Aus Herzemsgrund“ wie es Luther übersetzt. Das heißt für mich auch: Man hat das Recht sich zurückzunehmen, ja aufzuhören. Von unserem Kirchenvorstand treten leider einige nicht mehr an. Das ist schade, aber es ist eine Arbeit die man mit Freude tun sollte. Und dann ist es gut zu wissen, wann man vielleicht sagt: Jetzt ist gerade zu viel Arbeit, jetzt geht es nicht mehr. Aufhören können muss erlaubt sein.
Seid nicht Herren über die Gemeinde, sondern Vorbilder der Herde, das fordert der Petrusbrief von allen, die in der Gemeinde Verantwortung übernehmen. Das ist ein viel verlangt, da kann jeder scheitern. Egal, ob man Pfarrer oder Kirchenvorsteherin ist, ob man im Kirchennchor Verantwortung hat oder in einem der Gemeindekreise. Aber zum Glück stehen wir alle nicht alleine da. Zum Glück gibt es ja den obersten Hirten, den guten Hirten, Jesus. Der erlaubt uns auch zu scheitern und vergibt uns unser scheitern. Und wenn er es tut, so sollten wir auch zueinander gnädig sein. Denn egal, was wir in der Gemeinde tun: Wir alle sind Jesu Herde. Wir alle gehören zu ihm. Ihm sind wir in unserer Arbeit verantwortlich.
Und er will uns führen und leiten. Er ist bei uns, wenn wir einmal nicht weiterwissen. Und er holt uns zurück, wenn wir uns einmal verlaufen haben. Er hält uns zusammen. In dieser Gemeinde sehen wir das: Wie sehr man sich zerstreiten kann, aber dass man trotzdem weiterhin zusammengehalten wird.
Im Herbst ist Kirchenvorstandswahl. Überlegen Sie sich, ob Sie bereit sind in der Gemeinde Verantwortung zu übernehmen. Wir suchen noch Kandidaten, die mit Freude, freiwillig, aus Herzensgrund diese Gemeinde leiten.
Amen.

Weitestgehend übernommen aus den Lesepredigten, danke!

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