Kommet an! – Predigt zum 21. Sonntag nach Trinitatis (Jer 29)

Liebe Gemeinde,
gerade vorhin haben wir den Ps 127 gesprochen. Ein Psalm voller Trauer und voller Wut. „An den Flüssen Babylons saßen wir uns weinten und unsere Peiniger verlangten von uns fröhlich zu sein.“ und: „Wohl dem, der deine Kinder, Babylon, am Felsen zerschmettert.“ Wieviel Wut und Trauer steckt in diesen Sätzen…
Folgendes war passiert: Das kleine Königreich Juda hatte sich mit den Falschen verbündet und war vom Großreich Babylon erobert worden. Der König wurde ausgetauscht, Juda als Vasallenstadt an das Großreich angegliedert und die Oberschicht Judas weggeführt ins Ferne Babylonien. Weg von Jerusalem, weg vom Tempel, dem Ort an dem Gott wohnt.
Da sitzen sie nun an den Flüssen von Babylon und weinen, sind voller Trauer und Wut.
Und die entscheidende Frage ist: Wie werden Sie sich nun verhalten, in der feindlichen Fremde?
Werden Sie sich an sich selbst halten, die Sprache nicht lernen, sich nicht integrieren und hoffen, dass es bald zurück geht? Oder werden sie sich integrieren?
An die Deportierten schreibt nun der Prophet Jeremia aus dem fernen Jerusalem einen Brief, den er über Boten dem Volk in Babylon zukommen lässt. Er steht im 29. Kapitel des Jeremiabuches.
Dies sind die Worte des Briefes, den der Prophet Jeremia von Jerusalem sandte an den Rest der Ältesten, die weggeführt waren, an die Priester und Propheten und an das ganze Volk, das Nebukadnezar von Jerusalem nach Babel weggeführt hatte.
So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels, zu den Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen:
Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen, und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehret euch dort, dass ihr nicht weniger werdet.
Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohl geht, so geht’s auch euch wohl.
Denn so spricht der Herr:
Wenn für Babel siebzig Jahre voll sind, so will ich euch heimsuchen und will mein gnädiges Wort an euch erfüllen, dass ich euch wieder an diesen Ort bringe.
Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe das Ende, des ihr wartet. Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten, und ich will euch erhören. Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr, und will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten, wohin ich euch verstoßen habe,
spricht der Herr, und will euch wieder an diesen Ort bringen, von wo ich euch habe wegführen lassen.

Liebe Gemeinde,
viele der Gastarbeiter aus der Türkei und anderen Ländern dachten: Bald fahren wir wieder zurück! Und manche lernten kaum Deutsch, denn das war ja nicht notwendig.
So ging es sicherlich auch einigen Juden und Jeremia schimpft im gleichen Brief auch über falsche Propheten, die vielleicht genau das verkündeten: Integriert euch nicht, bald sind wir wieder daheim.
Ganz anders die Worte, die Jeremia von Gott ausrichtet:
Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen, und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehret euch dort, dass ihr nicht weniger werdet.
Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn; denn wenn’s ihr wohl geht, so geht’s auch euch wohl.
„Kommt an“, so die Botschaft Gottes. Kommt an in der Stadt in der ihr nun lebt. Findet euch damit ab, dass ich euch hierher geschickt habe. Integriert euch, bringt euch ein in Babylon. Auch wenn ihr euch verachtet fühlt. Denn: „wenns ihr wohl geht, so geht’s auch euch wohl.“

Und dennoch sagt der Brief nicht: Gebt eure Identität auf! Davon ist nie die redet. Im Gegenteil, er sagt: „mehret euch, dass ihr nicht weniger werdet.“ Auch in der Fremde sollt ihr nicht untergehen, nicht immer kleiner werden und verschwinden! Denn Gott, auch das ist klar, hat noch Pläne. Die Verschleppten sollen wieder zurück dürfen, wenn auch erst in 70 Jahren. 70 Jahre, das ist eine symbolische Zahl und drückt erstmal nur aus: „eine halbe Ewigkeit.“ 70 Jahre, das bedeutet bei der damaligen Lebenserwartung: Ihr werdet es nicht erleben, wahrscheinlich auch nicht eure Kinder, vielleicht euere Enkel und Urenkel. Aber eines Tage will ich eure Gefangenschaft wenden und euch wieder zurückführen. Und es war tatsächlich so, nach 60 Jahren wurde Babylon selbst erobert und der Perser Kyrus erlaubte die Rückkehr nach Jerusalem. Aber auch heute noch gibt es im Iran eine jüdische Gemeinde, die sich auf die Zeiten des Exils zurückführt.
Was hat dieser Abschnitt der Geschichte des Volkes Israel mit uns als evangelischen Christen in Neunburg zu tun?
Beim Bibelgesprächskreis sind uns einige Punkte aufgefallen, bei denen der Vers „Suchet der Stadt Bestes“ uns im Leben wichtig wurde.
Mir sind besonders unsere Fenster auf der Seite zum Garten hin und die Geschichte der Evangelischen in der Nachkriegszeit aufgefallen. Die Fenster erzählen diese Geschichte.
Die Evangelischen, die nach dem Krieg nach Neunburg kamen, waren Vertriebene, Flüchtlinge. Und im ersten Fenster sehen wir die zerstörten Gegenden, Häuser und Orte, die zurückgelassen wurden. So ungefähr dürften die Deportierten auch das kriegsbeschädigte Jerusalem in Erinnerung gehabt haben: Eine zerstörte Stadt, in der die Lieben, Freunde und Bekannten zurückgelassen werden mussten.
Das zweite Fenster zeigt eine andere Stadt, eine neue Stadt, ein neuer Ort. Ein Ort, an dem man sich erstmal zurechtfinden und einleben muss. Und an dem sich die Frage stellt: Wie sehr integriere ich mich. „Kommt an und baut euch Häuser.Verheiratet eure Kinder! Suchet der Stadt Bestes! Und immer wieder in der neuen Stadt die Frage: Wie gehe ich damit um, wenn sich meine Familie, mein Glaube, mit anderen Familien und anderen Arten des Glaubens vermischt? Werden die Kinder Jahwe oder die babylonischen Götter anbeten? Werden sie katholisch oder Evangelisch?
Aber: Gott hat Gedanken des Friedens über uns. Wenn wir ihn suchen, wird er sich finden lassen. Diese Zusage hat schon vor 2500 Jahren gegolten, die Hoffnung hat damals schon getragen. Genauso hat sie auch die Evangelischen in der Nachkriegszeit getragen. Und so zeigt das dritte Fenster das Friedensreich Gottes, das himmlische Jerusalem. Und im vierten Fenster ist die große Hoffnung der Offenbarung aufgeschrieben: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen“

Die historische Geschichte des Psalms 27 und des Briefes Jeremias ist lange her. Aber das Versprechen Gottes, dass er uns in die Fremde begleitet. Die Zusage Gottes, dass er Gedanken des Friedens über uns hat, dass er sich finden lassen will, diese Zusage gilt auch heute noch und gibt auch heute noch Hoffnung.
Amen.

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